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Rezension: Siddharth Kara, Modern Slavery – A Global Perspective

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Einführung

In Deutschland wird über die Einführung eines Lieferkettengesetzes diskutiert, das die menschenrechtlichen Pflichten von Unternehmen für ihre Zulieferer regeln soll. Dabei fällt immer wieder auch der Begriff „moderne Sklaverei“.

Häufig bleibt es bei dem Schlagwort.  Siddhart Kara erläutert seinem Buch „Modern Slavery – a global perspective“ die Realität dahinter.

Der Autor

Kara ist ein international anerkannter Experte für das Thema. Als Student half er im Rahmen eines Freiwilligenprogramms in einem bosnischen Flüchtlingslager und wurde dort mit dem Schicksal von Frauen konfrontiert, die im Jugoslawienkrieg zur Prostitution gezwungen worden waren. Das Thema moderne Sklaverei ließ ihn danach nicht mehr los. Anfänglich unternahm er parallel zu seiner Tätigkeit als Investmentbanker lange Reisen, um sich mit den Erscheinungsformen und Hintergründen moderner Sklaverei auseinanderzusetzen. Inzwischen lehrt er an der Harvard-Universität zu Menschenhandel und Sklaverei, berät die Vereinten Nationen und arbeitet mit verschiedenen Medien zusammen, die moderne Sklaverei dokumentieren. „Modern Slavery – a global perspective“ ist das dritte Buch einer Trilogie Karas zum Thema. Es fasst, wie Kara im Vorwort erwähnt, seine bisherigen Erkenntnisse zusammen.

Das Buch

Kara gibt zunächst einen kurzen Überblick über die Geschichte der Sklaverei, ihre heutigen Erscheinungsformen und ihr Ausmaß. Sklaverei, so der Autor, besteht auch nach ihrer offiziellen juristischen Abschaffung, de facto fort. Allerdings sei umstritten, welche Art von Abhängigkeitsverhältnissen unter den Begriff moderner Sklaverei fielen. Nach einer engen Bestimmung des Begriffs könnten nur solche Abhängigkeitsverhältnisse als moderne Sklaverei qualifiziert werden, bei denen eine Person mit Gewalt dominiert werde. Andere befürworten ein weiteres Verständnis des Begriffs. Danach könne die Unfreiheit einer Person nicht nur durch Gewalt begründet werden, sondern auch durch andere Umstände. Kara selbst definiert Sklaverei als ein System der Entehrung und Herabsetzung von Menschen durch die gewaltsame Abnötigung von Arbeit unter Umständen, die sie entmenschlichen. Auf Grundlage seiner Definition geht der Autor davon aus, dass derzeit rund 31 Millionen Menschen in Sklaverei leben. Die wichtigsten Erscheinungsformen von Sklaverei seien dabei Zwangsarbeit, Menschenhandel und Schuldknechtschaft.

Die wesentliche Triebfeder moderner Sklaverei ist nach Auffassung des Autors Gier. Heute sei Sklaverei noch lukrativer als zu Zeiten, in denen sie juristisch anerkannt war. Der Transport von Menschen über große Strecken sei heute kostengünstiger und weniger riskant als vor Abschaffung der Sklaverei Darüber hinaus würden heute Sklaven in Branchen eingesetzt, die besonders gewinnträchtig seien – beispielsweise im Sexgewerbe – und nicht mehr, wie früher, vornehmlich in der Landwirtschaft, wo die Margen niedriger seien. Moderne Sklaverei biete Kriminellen große Gewinnmöglichkeiten bei geringem Risiko. Dies mache es zu einer der attraktivsten Branchen für organisierte Kriminelle.

Dann wendet sich der Autor verschiedenen Formen modern Sklaverei zu.  Im zweiten Kapitel beschäftigt er sich am Beispiels Nigerias mit dem Menschenhandel im Sexgewerbe. Kara beschreibt eindrucksvoll wie der in bestimmten Regionen Nigerias verbreitet Glaube an Yoruba-Gottheiten genutzt wird, um Frau und junge Mädchen gefügig zu machen.  Bevor sie ins Ausland verkauft werden, leisten sie einen Schwur, gehorsam zu sein und nicht zu fliehen und leben in dem festen Glauben, dass das Schicksal ihrer Familie besiegelt sei, wenn sie ihren Schwur brechen. Kara erläutert aber auch, wie bitterste Armut dazu beiträgt, das System des Menschenhandels aus Nigeria zu ermöglichen.  Als er ein Gespräch mit einem Mädchen schildert, das nach Europa gehen möchte um Geld für die Familie zu verdienen, rät er ihr nicht ab: „Wenn jemand in einem Feuer steht, kann man ihn warnen, solange man will, nicht zu springen, weil er möglicherweise im Rachen eines Krokodils landen wird – er muss dennoch springen“.

Das nächste Kapitel ist dem Menschenhandel zum Zwecke der Arbeit gewidmet. Kara erläutert ihn am Beispiel von Farmarbeit in Kalifornien. Opfer sind hier nicht nur Einwanderer, die die Grenze illegal überquert haben, um in den USA Arbeit zu finden, sondern auch legale Migranten, die mithilfe eines Visums für Kurzzeitarbeiter eingereist sind. Arbeiter werden mit dem Versprechen angeworben, in den USA Geld verdienen zu können. Sie hoffen, ihre Familien zu Hause unterstützten zu können. Of müssen sie aber erhebliche Beträge an Mittelsmänner zahlen, die den Transport arrangieren und sie an Arbeitgeber vermitteln. Diese Summen werden ihnen vom Lohn abgezogen, oft noch verbunden mit dubiosen weiteren Gebühren und Kosten. Arbeiter finden sich dann auf abgelegenen Farmen wieder, ohne Kontakt zur Außenwelt, ohne Sprachkenntnisse und ohne Wissen um ihre Rechte und Möglichkeiten, sie durchzusetzen.

In weiteren Kapiteln behandelt Kara Sklaverei in Lieferketten am Beispiel der thailändischen Fischindustrie, Organhandel und die Rolle, die das Internet und neue Technologien bei der Ermöglichung, aber auch der Bekämpfung moderner Sklaverei spielen.

Lösungsansätze

Den Abschluss bildet ein Kapitel, in dem sich der Autor mit Ansätzen zur Bekämpfung moderner Sklaverei auseinandersetzt.  Er stellt zehn Initiativen zur Ausrottung der Sklaverei vor. Unter der Überschrift „rechtliche Reformen“ befürwortet er beispielsweise die Einführung harter Strafen für „Konsumenten“ der gewerblichen Sexindustrie, die Schaffung von Vorschriften über die rechtliche Verantwortung von Unternehmen für Sklaverei in ihren Lieferketten und die Schaffung internationaler Gerichte, die sich mit moderner Sklaverei befassen.

In Anhang des Buches finden sich noch zahlreiche Tabellen und Statistiken zum Ausmaß und zur Verbreitung moderner Sklaverei.

In Anhang des Buches finden sich noch zahlreiche Tabellen und Statistiken zum Ausmaß und zur Verbreitung moderner Sklaverei.

Kara beschreibt einerseits das Phänomen Sklaverei exakt und detailliert; er verliert sich aber nicht in Zahlen und wissenschaftlichen Betrachtungen. Vielmehr zeigen seine Schilderungen von Schicksalen der Opfer und seine Wiedergabe von Gesprächen immer wieder auf, was Sklaverei für Betroffene bedeutet und wie sehr sie sie entmenschlicht.


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