Die EU-Kommission hat am 14.09.2022 ihren Vorschlag für eine Verordnung betreffend Produkte vorgelegt, die mithilfe von Zwangsarbeit hergestellt worden sind. Die Verordnung soll es verbieten, Produkte, die ganz oder teilweise mithilfe von Zwangsarbeit hergestellt worden sind, in der EU anzubieten, zugänglich zu machen oder sie in die EU einzuführen oder von dort zu exportieren.
Der Vorschlag folgt auf einen Konsultationsprozess, der zwischen dem 19.05.2022 und dem 23.06.2022 stattfand.
Das Verbot soll in Form einer Verordnung erfolgen, also durch direkt anwendbares Recht. Die Kommission geht davon aus, dass dies notwendig sei, um die Einhaltung des Verbots und seine effektive Durchsetzung zu gewährleisten. Eine Richtlinie, die noch in nationales Recht umgesetzt werden müsste, berge die Gefahr nationaler Unterschiede in der Gesetzgebung, die eine gleichmäßige Umsetzung gefährde.
Anwendungsbereich
Das erste Kapitel des Entwurfs befasst sich mit dem Anwendungsbereich der Verordnung. Er stellt zunächst klar, worum es geht:
Die Verordnung verbietet es wirtschaftlichen Akteuren („economic operators“), Produkte auf dem EU-Markt zu platzieren oder dort erhältlich zu machen, die ganz oder teilweise mithilfe von Zwangsarbeit hergestellt worden sind. Darüber hinaus verbietet die Verordnung den Export und Import solcher Produkte.
Wen betrifft die Verordnung?
Die Verordnung definiert „wirtschaftliche Akteure“ als natürliche oder juristische Personen oder Vereinigungen von Personen, die Produkte auf dem EU-Markt zugänglich machen oder von dort exportieren.
Das Verbot gilt also unabhängig von der Rechtsform der Unternehmen. Die Verordnung unterscheidet auch nicht zwischen Unternehmen verschiedener Größen.
Eine solche Unterscheidung war im Konsultationsprozess diskutiert worden. Vor allem Vertreter der Wirtschaft hatten sich dafür eingesetzt, spezielle Regelungen für kleine und mittlere Unternehmen vorzusehen. Vorschläge umfassten Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen, besondere Handreichungen oder speziell auf sie zugeschnittene Vorschriften.
Die Befürworter solcher Lösungen verwiesen hierfür vor allem auf die begrenzten Ressourcen kleinerer und mittlerer Unternehmen und ihre geringere Marktmacht.
Dagegen hatten insbesondere Vertreter der Zivilgesellschaft darauf hingewiesen, dass kleine und mittlere Unternehmen den Großteil der Unternehmen in der EU ausmachen. Ihre Einbindung sei daher wichtig, damit die Verordnung die gesetzten Ziele auch erreichen könne.
Die EU-Kommission spricht sich gegen Ausnahmevorschriften für kleine und mittlere Unternehmen aus. Deren besondere Situation solle aber über Unterstützungsmaßnahmen wie Handreichungen oder Muster berücksichtigt werden. Darüber hinaus könne auch bei der Durchsetzung der Vorschriften den Bedürfnissen kleiner und mittlerer Unternehmen Rechnung getragen werden.
Die Verordnung stellt außerdem klar, dass sie nicht die Entziehung oder Beschlagnahme von Produkten zum Gegenstand hat, die mit Zwangsarbeit hergestellt worden sind und sich bereits in Händen der Endverbraucher befinden.
Begrifflichkeiten in der Verordnung
Darüber hinaus enthält das erste Kapitel der Verordnung im Wesentlichen Definitionen, die die Verordnung verwendet. Der Kernbegriff der Zwangsarbeit wird in Anlehnung an das ILO- Übereinkommen Nr. 29 aus dem Jahr 1930 definiert. Danach ist Zwangsarbeit jede Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat. Dies entspricht der Definition der Zwangsarbeit, die auch das LkSG zugrunde legt (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 LkSG). Auch der Uyghur Forced Labour Prevention Act bezieht sich auf diese Definition.
Ein weiterer zentraler Begriff ist der des „mithilfe von Zwangsarbeit hergestellten Produkts“. Die Verordnung definiert dieses als ein Produkt, für das Zwangsarbeit ganz oder teilweise in irgendeinem Stadium seines Abbaus, seine Ernte, Produktion oder Herstellung gebraucht worden ist, einschließlich von Arbeiten oder Bearbeitung im Bezug auf ein Produkt in irgendeinem Stadium seiner Lieferkette. Der Begriff ist also sehr weit gefasst.
Aufgaben der Behörden
Das zweite Kapitel des Entwurfs befasst sich mit Ermittlungen und Entscheidungen zuständiger Behörden. Hier geht es darum, wie die Behörden Verletzungen des Verbots des Zugänglichmachens von Produkten, die mit Zwangsarbeit hergestellt wurden, feststellen sollen.
Art. 4 des Entwurfs sieht vor, dass die zuständigen Behörden bei Vorermittlungen einem risikobasierten Ansatz folgen sollen. Auch der Uyghur Forced Labour Prevention Act sieht einen derartigen risikobasierten Ansatz vor; allerdings wird der Begriff in der Verordnung weiter ausgefaltet.
In einem ersten Schritt stellen die Behörden dabei fest, ob es wahrscheinlich scheint, dass es zu einem Verstoß gegen das Verbot der Zwangsarbeit gekommen ist. Dabei können Sie auf alle verfügbaren Informationsquellen zurückgreifen. Die Verordnung nennt hier ausdrücklich Hinweise juristischer oder natürlicher Personen. In diesem Zusammenhang sieht die Verordnung in Art. 10 vor, dass natürliche und juristische Personen Hinweise über mutmaßliche Verstöße gegen das Zwangsarbeitsverbot geben können. Diese Personen sollen dabei den Schutz der Whistleblower-Richtlinie genießen. Sie sollen über den Ausgang des Verfahrens informiert werden. Sollte die Verordnung in der vorgeschlagenen Form verabschiedet werden, ist wohl davon auszugehen, dass es zu Hinweisen durch Nichtregierungsorganisationen kommen wird.
Darüber hinaus sieht die Verordnung vor, dass eine Datenbank mit Produkten oder Regionen eingerichtet wird, bei denen das Risiko von Zwangsarbeit besteht (Art. 11 der Verordnung). Auch auf diese Datenbank sollen die zuständigen Behörden bei der Einschätzung zurückgreifen, ob eine Ermittlung eingeleitet werden soll.
Schließlich können die Behörden auch auf Informationen in Berichten internationaler Organisationen, Organisationen der Zivilgesellschaft usw. zurückgreifen (vgl. Art. 23 der Verordnung).
Besteht aufgrund dieser Vorermittlungen der substantiierte Verdacht eines Verstoßes gegen das Verbot, sollen die zuständigen Behörden eine Ermittlung der betroffenen Produkte und der in Rede stehenden Wirtschaftsakteure einleiten.
Die betroffenen Wirtschaftsakteure haben dabei eine Mitwirkungspflicht (Art. 5 der Verordnung).
Auf Basis der Ermittlungen bilden die zuständigen Behörden sich dann ein Urteil darüber, ob eine Verletzung des Verbots vorliegt, Waren zugänglich zu machen oder zu exportieren und importieren, die mithilfe von Zwangsarbeit hergestellt worden sind.
Kommen die Behörden zu dem Schluss, dass eine solche Verletzung vorliegt, erlassen sie nach der Verordnung unverzüglich eine Entscheidung mit
- einem Verbot, die in Rede stehenden Produkte in der EU zugänglich zu machen oder sie zu exportieren
- einer Anordnung, die in Rede stehenden Produkte, soweit sie bereits erhältlich sind, von dem Markt der EU zurückzuziehen
Rechtsschutz der Unternehmen gegen das behördliche Vorgehen
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsbehelf gegeben (Art. 8). Nach Rechtskraft der Entscheidung informieren die Behörden die Zollbehörden der Mitgliedsstaaten, die für die Berücksichtigung im Rahmen der Einfuhr der Produkte sorgen (Art. 15).
Kapitel drei bis fünf der Verordnung
Das dritte Kapitel des Entwurfs der Verordnung hat die Einfuhr und Ausfuhr von Produkten in die bzw. aus der EU zum Gegenstand. Art. 15 sieht vor, dass die Zollbehörden auf Grundlage der Information durch die nationalen Behörden (siehe oben) Kontrollen durchführen.
Die Zollbehörden können für bestimmte Produkte oder Produktgruppen entscheiden, ob diese zur freien Zirkulation in der EU oder zum Export freigegeben werden – oder ob die Freigabe nicht erteilt wird. Wird die Freigabe nicht erteilt, werden die Güter beseitigt („disposed of“). Zu den möglichen Maßnahmen zur Beseitigung gehören die Konfiszierung oder Zerstörung.
Das vierte Kapitel befasst sich mit dem Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Behörden und Stellen.
Im fünften Kapitel geht es um Zuständigkeiten Kooperation und ähnliche Vorschriften.
Die Verordnung soll zwei Jahre nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten.
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